ANNE WANNER'S Textiles in History   /  publications

Bildstickereien des 16. und 17. Jhs im Histor. Museum Bern: Herstellung und Gebrauch
Publiziert in:
Glanzlichter aus dem Bernischen Historischen Museum:
Bilderwelt des Himmelbetts, gestickte Bettbordüren der Spätrenaissance
Text: Vera Heuberger mit Beiträgen von Anne Wanner-JeanRichard und Manuel Kehrli
Bild: Stefan Rebsamen, Redaktion: Elke Jezler, Chronos Verlag, Zürich, 2000


  Literaturhinweise:
1) - Walter Bodmer, der Einfluss der Refugianteneinwanderung von 1550-1700 auf die Schweizer Wirtschaft, Zürich 1946
2) - E. Egli, Schweizerische Handstickerei im 16. Jahrhundert, in: Zwingliana, Bd. 1, 1897-1904, S. 70ff
3) - Elisabeth von Gleichenstein, Bildstickereien des 17. Jahrhunderts, in: Stich für Stich, textile Kostbarkeiten aus dem Rosgartenmuseum Konstanz, 1997, S. 28
4) - Ruth Grönwoldt, Stickereien von der Vorzeit bis zur Gegenwart, München 1993
5) - Ursula Karbacher, die Textilien im Historischen Museum Luzern, Luzern 1991, S. 43
6) - Albert Knöpfli, das von Ulm-Neidhard-Antependium aus St.Katharinental, in: Berichte der Gottfried Kellerstiftung, 1960 - 1962, S. 44-62
7) - Anna Rapp, Tischtücher - die Kleider der Tafel, in: Stoffe und Räume, Langenthal 1986, S. 44
8) - Irmgard Rapp, Textilkunst aus 5 Jahrhunderten in den Villiger Museen, München 1988, S. 18
9) - Jenny Schneider, Schweizerische Bildstickereien des 16. und 17. Jhs, Bern 1960
10) - Jenny Schneider, Schaffhauser Bildstickereien des 16. und 17. Jhs, in: ZAK, Bd. 23, Heft 3. 1963/64, S.167
11) - Jenny Schneider und Anne Wanner, Bündner Kammtaschen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, in: Schriftenreihe des Rätischen Museums Chur Heft 7, Chur 1969
12) - Marie Schütte und Sigrid Müller-Christensen, das Stickereiwerk, Tübingen 1963, S. 214ff
13) - Robert Ludwig Suter, Canonicus, Abundantia von Reding, eine Schwyzer Paramenten-Stickerin der Barockzeit, in: Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz, Heft 79, 1987, S.21 ff.
14) - Kurt Wettengl, hgg., Maria Sibylla Merian, Künstlerin und Naturforscherin, Frankfurt am Main 1998
15) - Leonie von Wilckens, Geschichte der deutschen Textilkunst vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart, München 1997

für die genealogischen Angaben wurde verwendet:
Bernhard von Rodt (1892-1970), Genealogien bürgerlicher Geschlechter der Stadt Bern, Burgerbibliothek, Bern

 



Right Part of the Wall Hanging. with five Scenes out of 16 of the Life of Christ

 
       
  I. Einleitung
a) Verwendung, Herstellung

Die in Museen und Sammlungen erhaltenen farbigen Bildstickereien weisen auf eine Blüte dieser Textilkunst im 16. und 17. Jahrhundert.

Die Wollstickereien lassen sich unterteilen in Altarbehänge, die in Kirchen (6,8) oder bei religiösen Festen (5) Verwendung fanden, und in eine weitere Gruppe, welche Wohnungen und Häuser von zu Wohlstand gekommenen Bürgern verschönerte. Bei grösseren Formaten handelte es sich um Wand- oder Tischteppiche, kleinere Decken zierten Kissen oder Stühle. Schmale und lange Streifen dienten als Rücklaken von Sitzbänken, oder sie schmückten den oberen Abschluss von Himmelbetten. Bis ins 18. Jahrhundert stellten solche Bettbehänge übliche Ausstattungsstücke dar. Die Szenen fortlaufender Erzählungen erscheinen eingerahmt, oder sie werden durch ein Rankenwerk von Blüten und Blättern voneinander getrennt.

Seit dem Anfang des 16. Jhs vermehrten sich die Bildvorlagen aus Büchern, zwar liessen sich solche Vorlagen überallhin transportieren, aber dadurch wird andererseits die landschaftliche Einordnung der Werke erschwert. Die reich verzierten Ausstattungstextilien zeigen, dass es sich seit Mitte des 16. Jhs, nach den Wirren der Reformation wieder anspruchsvoller leben liess. Damals gelangten neue Materialien und Techniken in die Schweiz, und vor allem waren es durch die Gegenreformation aus Italien vertriebene Glaubensflüchtlinge, welche Seidengewerbe und Seidenhandel in die Städte Zürich, Basel und Genf brachten (1) .

Bildstickereien entstanden zum Teil in Klöstern, und zahlreiche Untersuchungen von Canonicus Robert Ludwig Suter bestätigen, dass das Sticken zu den bevorzugten Tätigkeiten von Klosterfrauen gehörte (13). In Bürgerhäusern schmückten die Töchter angesehener Bürger ihre Aussteuer mit Stickerei, begabte Stickerinnen scheinen auch Aufträge angenommen zu haben. Dies lässt sich aus einigen privaten Briefen an den reformierten Zürcher Hauptpfarrer Heinrich Bullinger (1504-1575) herauslesen. Seine Töchter Veritas und Dorothea waren für ihre Handarbeiten berühmt und lieferten solche bis weithin nach Deutschland.
So schrieb der Reformator Ambrosius Blarer von
  Konstanz am 4. Juni 1560, dass Petronella, die Tochter seiner Schwester gerne bei Bullingers Töchtern die Kunst der Stickerei erlernen möchte. Egon, Herr zu Rappoldstein im Elsass teilte am 24. Januar 1561 unter anderem mit, dass er Geld senden werde “so der Jungfrawen von wegen des theppig geherig”. Am 20. Sept. 1575 meldete eine Dame aus Bayern, dass die Vorlagen für den Tischteppich noch nicht zum Absenden bereit seien (2).


b) Material, Technik
Das Grundmaterial für die Bildstickereien bestand im 16. Jahrhundert in vielen Fällen aus Wollstoffen. In der östlichen Schweiz handelt es sich häufig um dunkles, schwarzes Material, aber helles Leinen und rote Wollstoffe blieben ebenfalls erhalten. Das dunkle Wollmaterial könnte Merkmal einer bestimmten Werkstatt gewesen sein. Auffallenderweise sind manche dieser Grundstoffe aus mehreren Stoffteilen zusammengestückt, vielleicht verwendete man dazu ehemalige Kleidungsstücke, die besonderen Persönlichkeiten gehört haben könnten. Neben buntem Wollgarn, sowie Gold- und Silberfäden als Stickmaterial, kommen im 17. Jahrhundert zunehmend farbige Seidenfäden vor. Daneben finden sich Applikationen von Perlen, Pailletten, Spitzen oder sogar menschlichem Haar.

In der östlichen Schweiz war der Klosterstich beliebt. Dabei handelt es sich um einen einfachen Stickstich, mit dem sich Flächen gut bedecken lassen. Das Garn wird über einen grösseren Abstand gespannt und in einem nächsten Arbeitsgang mit kleinen waagrechten Ueberfangstichen auf dem Grundmaterial festgehalten. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigt sich eine weitere Stichart, der Kettenstich, immer häufiger. In der Berner Sammlung von Bettbehängen erscheint auch die sogenannte Nadelmalerei. Darunter versteht man eine Stickerei, die der Malerei gleicht, und die aus feinen, verschieden langen, ineinander gearbeiteten Stichen besteht. Meistens sind es Flachstiche, auch Stielstich und Spaltstich kommen vor. Eine weitere textile Technik ist die Applikationsarbeit. Hier werden kleine Gewebestücke, häufig Seidenstoffe, auf den Stoffgrund genäht. Eine kleine, ebenfalls applizierte Kordel deckt die geschnittenen Stoffkanten zu und bildet den Abschluss der Formen.
       
 
 



Barbara Wittenbach (1587-?),
by Joseph Plepp, 1625, privat collection



Margarethe von Büren, daughter of Barbara W.
unknown artist, around 1600, Historic Museum Berne

       
 



Embroidery by Salome Wittenbach, 1609, Historic Museum Berne


     
  c) Alter der Stickereien
Die frühesten erhaltenen Bildstickereien dieser beschriebenen Art, lassen sich in die 1520er Jahre datieren. Die grosse Anzahl von ihnen entstand in der 2. Hälfte und gegen das Ende des 16. Jhs, sowie im beginnenden 17. Jh.

Familienwappen, betont durch ein Medaillon oder einen Kranz, und manchmal zusätzlich begleitet von Jahrzahlen, können Hinweise geben über die Entstehungsjahre der Stickerei. Allerdings stellt sich die Frage, worauf sich die Jahrzahlen beziehen. Handelt es sich um die Entstehungzeit der Stickerei, um das Hochzeitsjahr des Paares, oder um ein Erinnerungsjahr?

Das Allianzwappen an zentraler Stelle weist in einigen Fällen auf das Elternpaar. Vielleicht schenkten die Eltern ihrem Sohn eine Himmelbettbordüre mit Wappen zur Hochzeit. Ist es wahrscheinlicher, dass die ihre Aussteuer vorbereitende Tochter die Wappen der eigene Eltern auf ihrer Stickerei anbrachte? Ebenso kann man sich vorstellen, dass eine Hausfrau ihr eignes Heim mit bestickten Behängen verschönerte.

II. Barbara Wyttenbach
a) die Familie
Die Schwestern Salome und Barbara Wyttenbach scheinen sich im beginnenden 17. Jh. besonders für Stickereien interessiert zu haben. Erhaltene Arbeiten im Historischen Museum Bern zeigen ihre Initialen SW und BW, zudem sind Jahrzahlen und Wappen in Bildstickereien eingefügt. Gerne würden wir heute annehmen, dass die beiden Bernerinnen eigenhändig stickten. Ausser den Initialen fanden sich aber bisher keine weiteren bestätigenden Dokumente. Die Stickereien könnten auch in einer Werkstatt des In- oder des Auslandes bestellt worden sein.
  Auf Salome (1577-1611) geht ein kleines Tauftuch mit Datum 1609 auf rotem Seidengrund zurück, es zeigt die Anbetung der Könige und neben den Initialen SW das Wappen der Familie Wyttenbach. Auch das Wappen des Ehemannes Hans Jakob Tschiffeli (1565-1611), der 1595 Bürger von Bern wurde, ist hier wiedergegeben. Beide Eheleute starben 1611 an der Pest und hinterliessen kleine Kinder. Vielleicht beabsichtigte Salome, weitere Stickereien anzufügen, blieb doch eine fast gleich grosse Stickerei mit der Taufe Christi, auf demselben rotseidenen Stickgrund im Berner Historischem Museum erhalten. Die feine Nadelmalerei mit Kettenstich, sowie die Jahrzahl 1645 und die Wappen Güder und Fels, hier ohne Initialen, weisen zumindest auf eine Fertigstellung der Stickerei nach Salomes Tod.

Barbara Wyttenbach (geb. 1587) heiratete Hans von Büren (1567-1623) im Jahre 1605. Von seinen beiden früheren Ehen waren kleine Kinder zu versorgen, und sicher kümmerte sich Barbara auch um die Waisen ihrer Schwester. Die Kinderschar vergrösserte sich durch drei eigene Töchter und zwei Söhne. Von der Tochter Margarete gibt es im Berner Museum ein Kinderbildnis, welches das Mädchen mit ausnehmend schönen italienischen Spitzen und einer reich bestickten Schürze zeigt. Mit den erwachsen werdenden Kindern nahmen Familienereignisse wie Hochzeiten zu, und auch Mutter Barbara heiratete 1630 zum 2. Male. Ihr neuer Ehemann wurde der Wittwer Franz Güder (1587-1651), dessen erste Gattin, Dorothea Fels, mehrere Kinder zur Welt gebracht hatte. Bei der zweiten Eheschliessung zählte der jüngste Sohn Konrad gerade vier Jahre, und die älteste Tochter, Ursula Güder, war 18jährig. Stiefmutter Barbara könnte die Stickerei mit der Taufe Christi, den Wappen Güder und Fels und dem Datum 1645 für eines ihrer Stiefkinder vollendet haben.

 
       
  b) Der neuerworbene Bettbehang
Die Wappen von Barbaras Eltern Wyttenbach sowie Initialen ND (Niklaus Wyttenbach) und SD (Salome Thormann) finden sich auf dem kürzlich vom Berner Historischen Museum erworbenen Bettbehang mit Szenen aus dem Leben Christi.

Der lange, schmale, mit fortlaufenden Bildern verzierte Streifen ist als Bettbehang gut denkbar. Die Motive sind sehr dicht auf ungebleichtes Leinen gestickt, und zwar hauptsächlich in Spaltstich, für die Konturen findet der Klosterstich Anwendung. Als Stickmaterial diente buntes Wollgarn und gleichdickes Seidengarn, sowie Gold- und Silberfäden. Weil die Seide sehr glänzt, die Wolle aber dumpf erscheint, lassen sich beim Ineinanderarbeiten dieser beiden Materialien plastische Wirkungen erzielen. Der im Bilde dunkel erscheinende Hintergrund besteht ebenfalls aus Seidenstickerei. Spaltstich wechselt bei grösseren Flächen ab mit Klosterstich, hie und da sind Flächen mit Phantasiestichen gemustert. Im Laufe seiner Geschichte wurde der Streifen beim Wyttenbach Wappen in 2 Teile getrennt, später aber fast unsichtbar wieder aneinandergefügt. Aus jener Zeit stammen wohl auch die Flickstellen mit unterschiedlich strukturiertem Stickgarn, auch dies ist nur bei bei sehr genauem Hinsehen feststellbar.

Zunächst sei angenommen, Barbara Wyttenbach habe diese Bordüre für eine ihrer beiden Ehen, und für sich
  selber gestickt, kommen doch ihre Initialen BW auf der Stickerei vor. Die Jahrzahl 1604 scheint für die erste Hochzeit als Entstehungsjahr etwas zu früh. Der Stil der Stickerei würde besser in die Zeit der 2. Hochzeit von 1630 passen. Die fein gearbeiteten Gesichter der Figuren, die bewegten Kompositionen mit ihren perspektivisch korrekt wiedergegebenen Ein- und Ausblicken, sowie auch die den Grund breit bedeckenden Blattranken, weisen eher in das fortgeschrittene 17. Jahrhundert. Die technische Ausführung der Stickerei zeigt überdies eine geübte Hand mit grosser Geschicklichkeit und Uebung in Nadelarbeiten. Mit einer Datierung in die 1630er Jahre bleibt allerdings die Bedeutung der Jahrzahl 1604 ungewiss, könnte sie wohl eine Erinnerung an den 1604 verstorbenen Vater Niklaus II Wyttenbach darstellen ?


Ebenfalls denkbar wäre es, dass das Elternpaar Wyttenbach-Thormann die Bettbordüre in einer Werkstatt bestellte. Es könnte sich um ein Geschenk für einen der Söhne gehandelt haben, zum Beispiel für Niklaus III (1596-1680), Bürgermeister zu Biel 1636-50, oder für den in venezianischen Diensten stehenden anderen Sohn Samuel (geb. 1591). Spielte wohl Italien eine Rolle in der Geschichte der Stickerei? Dies könnte zwar die zu dieser Zeit in der Schweiz ungewohnte Sticktechnik und das Material erkären, doch die Bedeutung der Initialen BW bliebe ungelöst.
       
 



Detail of Tapestry, Way into Jerusalem, with Date of 1604

 



Initials of Barbara Wittenbach

 
       
  Drei weiteren Bordüren des Berner Historischen Museums

Die Bettbordüre mit der Schöpfungsgeschichte, 1595
Bettbordüre mit Allianzwappen Johann Rudolf Sager und Apollonia Ougsburger, datiert 1595. Geschenk des Vereins zur Förderung des Bernischen Historischen Museums, 1948.

Wollstickerei mit Goldfäden und Seidengarn auf Wolle, 690 x 61cm, Inv. 33188

Im Zentrum, in einem Lorbeerkranz, erscheint das Allianzwappen des Ratsherrn Johann Rudolf Sager (1547-1623) und seiner 2. Frau Apollonia Ougsburger (1550 geb., verh. 1594). Die Jahrzahl 1595 weist hier wohl auf das Entstehungsjahr der Stickerei. Sager wurde 1597 Schultheiss von Bern, er kann der Auftraggeber gewesen sein. Das Paar hatte keine Kinder, und es fehlt ein Hinweis, dass die Ehefrau die Arbeit ausgeführt hätte.

Der Grundstoff besteht aus roter Wolle, und als Sticktechnik kommt vor allem Klosterstich vor. Neben farbigen Wollfäden erscheinen Goldfäden und farbiges Seidengarn. Für die Gestaltung der Gesichter und des Gewandes von Gottvater verwendete die Stickerin feines Seidenmaterial, es blieb leider nur teilweise erhalten, meistens fehlt der lange Spannstich, der bei der Klosterstich-Technik ein wichtiges Element bildet. Noch vorhanden sind die querverlaufenden kurzen, die Spannfäden festhaltenden Ueberfangstiche. Die Gesichter und einige Gewänder erhalten dadurch
 




ein eigentümliches, ursprünglich nicht vorgesehenes gesprenkeltes Aussehen.

Links und rechts des Wappens ist die Schöpfungsgeschichte in je fünf Szenen wiedergegeben. Auf der linken Seite kommt Gottvater in jeder Szene vor. Nach der Erschaffung der Welt, erweckt er Adam zum Leben, und aus Adams Rippe hebt er Eva ans Licht.
Für diese Szene diente zweifellos ein Holzschnitt aus Hartmann Schedels Weltchronik von 1493 als Vorbild. Auf der rechten Seite stellen fünf weitere Szenen den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies dar, bis zum werktätigen Adam und der spinnenden und kinderhütenden Eva.

Sündenfall und Vertreibung lehnen sich an einen weiteren Holzschnitt aus der genannten Weltchronik. Am unteren Bildrand sind verschiedene Tiere abgebildet. Die einzelnen Szenen werden durch Ranken voneinander getrennt, einige dieser Pflanzen wachsen aus Gefässen und gleichen spätgotischen Blattranken mit Blüten. Andere erinnern an die Grotesken der Renaissance, die aus Pflanzen, Kandelabern, Vasen, Menschen- und Tierfiguren bestehen. Diese surrealistischen Figurationen verbreiteten sich dank gedruckter Vorlageblätter von Italien aus in ganz Europa.
       
 



Detail: right side of Tapestry with Scenes of Genesis, 1595,
coat of arms Johann Rudolf Sager and Apollonia Ougsburger, Historic Museum Berne

       
 
  Bettbordüre mit Darstellung der Tugenden, Mitte 17. Jh.
Himmelbettbordüre mit Allianzwappen Johann von Büren und Barbara Wyttenbach, undatiert (ca. Mitte 17. Jh.). Geschenk Fräulein von Gingins, La Sarraz.
Applikationsstickerei mit Gold-, Silber- und Seidenfäden auf rotem samtartigem Gewebe,
550 x 36cm, Inv. 4667

Das Allianzwappen wird von einem Engel gehalten und erscheint von der Mitte der Bettbordüre etwas abgerückt, eine Jahrzahl fehlt. Die Wappen gehören zum Elternpaar Hans von Büren und Barbara Wyttenbach. Der Bettbehang entstand vielleicht anlässlich der Verehelichung eines ihrer vielen Kinder. Eine Tochter Barbaras kann als Urheberin in Frage kommen. Einige Hochzeiten fielen in der Familie von Büren-Wyttenbach in die Jahre um die Mitte des 17. Jahrhunderts. In dieser Zeit könnte die Arbeit entsprechend ihrem Stil und ihrer Technik sehr wohl entstanden sein.

Es handelt sich um eine Applikationsstickerei mit Gold- und Silberfäden, sowie Nadelmalerei mit farbigem Seidengarn. Der Grundstoff besteht aus einem roten samtartigen Wollgewebe, das man in neuerer Zeit auf einen ehemals weinroten Samt aufnähte.

Die neun Tugenden sind als Frauenfiguren in ganzer Gestalt wiedergegeben. Jede Tugend ist bezeichnet durch ein Spruchband und durch ihre charakteristischen Attribute: der Glaube trägt einen
 

Kelch und ein Kreuz mit Schlange, die Hoffnung stützt sich auf einen umgekehrt wieder gegebenen Anker; die Liebe ist umgeben von vier Kindern; die "Fürsichtigkeit" trägt als Symbole der Weisheit ein Buch und eine Schlange; die Gerechtigkeit mit verbundenen Augen zeigt Schwert und Waage; die Geduld trägt ein Lamm auf ihren Armen.
Die drei weiteren Tugenden entblössen ebenso wie die Gerechtigkeit, je ein Bein bis übers Knie hinauf und zeigen elegante Schuhe und Strümpfe. Es handelt sich um die Mässigung mit Krug und Trinkschale, um die Stärke mit geschulterter Säule, um den Frieden mit Palmwedel und Olivenzweig.

Felder mit reichen Blumensträussen in Vasen wechseln ab mit den Frauenfiguren. Die Henkel jeder zweiten Vase sind von Schlangenkörpern gebildet.
Auch der Boden ist von Blumenzweigen bedeckt. Schmetterlinge, verschiedene Vögel, ein Eichhörnchen, ja zwei kleine Aeffchen beleben Zweigen und Blüten.

Ein weiterer Stab mit Blumenranken schliesst die Bordüre unten in ihrer ganzen Länge ab. Eine entsprechende Ranke als oberer Abschluss wurde vielleicht im Laufe der Zeit zerstört. Die erwähnte Restaurierung im ausgehenden 19. Jahrhunderts könnte diese beim Aufnähen auf die Unterlage weggelassen haben.
       
 



Detail: right side of Tapestry with Virtues, mid 17th c.
coat of arms of Johann von Büren and Barbara Wyttenbach, Historic Museum Berne


 
 
       
  Bettbordüre mit der Darstellung der fünf Sinne, datiert 1668

Himmelbettbordüre mit Allianzwappen Daniel Zeender und Catarina Manuel, datiert 1668.

Geschenk des Vereins zur Förderung des Bernischen Historischen Museums, 1914.
Seidenstickerei auf schwarzer Wolle.
410 x 49cm, Inv. 7977

Das Allianzwappen findet sich nach dem ersten Bild in einem Kranz von Blumen. Es gehört zu Daniel Zeender (1616-1692) und Catarina Manuel (geb. 1617), die 1642 heirateten. Die auf schwarzem mit Leinen gefütterten Wollstoff angebrachte Stickerei besteht aus farbigem Seidengarn, Goldfaden und wenig Wollgarn. Bei der Sticktechnik handelt es sich um Nadelmalerei, es kommt vor allem ein feiner ineinandergreifender Flachstich vor.

Unter den beiden Wappen sind die Namen des Ehepaares aufgestickt, sowie eine heute zerstörte Jahrzahl, die wohl ursprünglich 1668 lautete. Die drei Töchter des Paares, Rosina, Maria Magdalena und Dorothea heirateten in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, zu dieser Zeit dürfte die Stickerei entstanden sein.

Ins spätere 17. Jahrhunderts weist nicht nur die Seidensticktechnik, sondern auch die Figurendarstellung, und die reichen Blumensträusse. Aehnlicher Darstellungen der Tugenden oder der Sinne kommen z.B. auf Bündner Kammtaschen des 17. und 18. Jh. vor (11). Die Blumenstickereien mögen inspiriert sein von damals in Nürnberg herausgegebenen Vorlagewerken für Blumen, denn 1666 erschien das “Newe Blumenbüchl, für Mahler, Seydensticker, Goltschmide” von Paul Fürst, seine Tochter Rosina Helena gab später weitere Blumenbücher heraus, und Maria Sibylla Merian (1647-1717) zeichnete im Jahre
 


1675 ein Vorlagebuch für Blumenstickerei (14).

Die Allegorien der fünf Sinne erscheinen als sitzende Frauenfiguren in modischen Kleidern ihrer Zeit. Sie sind als sogenanntes Kniestück gegeben, d.h. die Gestalt endet knapp unterhalb des Knies. Jede ist einem anderen Wesen im Zwiegespräch zugewandt. Darunter ist Raum für die Bezeichnung des angesprochenen Sinnes.

Die Reihe beginnt links mit dem "Gesicht". Dem Sehsinn vorgeführt wird ein das Rad schlagender Pfau, der auf der Hand der weiblichen Gestalt sitzt. Es folgt das "Gehör": die Frau lauscht den Klängen der Laute, die ein Mann zu ihrer Seite schlägt. Zur Verbildlichung des "Geschmacks" kostet die Frau Früchte aus einer Schale, die ein Putto darreicht. Die "Empfindung", der Tastsinn, ist angesprochen in den zärtlichen Gebärden, mit denen sich die Dame umwerben lässt. Den Abschluss bildet der "Geruch". Eben ist die Frau dabei, eine Nelke zu pflücken, während der Mann ihr eine weitere Blüte darbietet.

Zwischen den Sinnesallegorien stehen als Ordnungselemente Blumensträusse in lockerer Symmetrie. Zu Füssen der Pflanzen tummeln sich allerlei Tiere wie Hahn und Henne, Hund, Hase, Löwe und Hirsch. Einige von ihnen wirken recht naturalistisch, andere - wie z.B. der Löwe - erinnern eher an heraldische Darstellungen.

Auch der bogige untere Bordürenrand ist reich mit Einzelblumen und kleineren Tieren bestückt. Diese dekorativen Elemente bieten sich der sinnlichen Wahrnehmung dar. Das Zusammenspiel aller auf der Stickerei dargestellten Sinne erschliesst das Erlebnis der paradiesischen Pracht und Fülle.
       
 



Detail: right side of Tapestry with five Senses, 1668,
coat of arms Daniel Zeender and Catarina Manuel, Historic Museum Berne

       
   

content   Last revised 22 January 2006