ANNE WANNER'S Textiles in History / China and Japan: embroideries with birds

Chinesische und japanische Vogeldarstellungen - zur Ausstellung im Textilmuseum St.Gallen, in: Textilkunst, März 1990, page 20 - 22, by Anne Wanner-JeanRichard

 
Wachtel, Ausschnitt aus japanischer Decke, 19. Jh.

Phönix, Knötchenstickerei, Aermelausschnitt eines chinesischen Gewandes, 19. Jh.
   
  Textilarbeiten aus dem Osten haben zu verschiedenen Zeiten die Textilkunst Europas beeinflußt. Bereits Marco Polo brachte im 13. Jh. chinesische Stickereien in unsere Gegenden. Im 18. Jh. zeigen sich östliche Motive und Formen in den sog. „Chinoiserien", und zwar in Lackarbeiten, Porzellan, Gewebe, Druckstoffen oder auch in chinesischen Ziergärten.
Die eigentliche Öffnung Chinas der westlichen Welt
gegenüber geht auf das Jahr 1842 zurück. Zunächst
handelte der Westen mit fünf Vertragshäfen, seit 1860 war der Handel frei und europäische Gesandtschaften konnten eingerichtet werden. In Japan war ein Warenverkehr mit dem Westen seit dem 17. Jh. nur über die künstlich angelegte Insel Deshima möglich. 1854 zwangen die Amerikaner Japan zur Öffnung, und Handelsverträge mit europäischen Mächten folgten.
Das Kaufmännische Directorium in St. Gallen versuchte, kurz nach 1843 mit China und 1858 mit Japan Beziehungen aufzubauen. Es wurden Expeditionen zusammengestellt und Erkundigungen über Industrie und Handel in jenen Ländern eingezogen. Der Beauftragte, Dr. R. Lindau, sandte 4 Handelsberichte mit Mustern in die Schweiz. 1864 bemühte man sich um den Abschluß eines Handelsvertrages mit Japan, und zum 2. Mal gelangten Muster nach St. Gallen, „um den Schweizer Kaufleuten und Fabrikanten japanischen Geschmack und die in Japan gebräuchlichen Stoffe nahezubringen".
Bei den Mustern handelte es sich hauptsächlich um
Gewebe für Alltagskleidung. Doch sind aus jenen Jahren auch bemalte Wandbespannungen aus Japan in die St.Galler Textilsammlung gelangt. Diese 8 Seidenmalereien, alle mit Vogeldarstellungen, bilden den Ausgangspunkt der gegenwärtigen Ausstellung. Solche in Japan für den europäischen Markt hergestellten Arbeiten waren für die Textilindustrie von höchstem Interesse. Sehr deutlich ist ihr Einfluß zu sehen in den farbigen Druckstoffen, die nun im Elsaß entstanden. Aber auch in der Vorhangstickerei, sei es in Frankreich oder in der Ostschweiz, übernahm man Naturdarstellungen mit Wasser, Schilf, Bäumen, Vögeln. Zudem fanden verschiedene Musterbücher mit in Holz geschnittenen Vogelbildern den Weg von Japan nach Europa.
In der St. Galler Textilbibliothek standen und stehen einige davon den Entwerfern als Anregung zur Verfügung. Im Laufe der Jahre gelangten weitere Stickereien und Webereien in St. Gallens Textilsammlung, sie sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen:
Die japanischen farbigen Hüllen für Sitzkissen begeistern durch die Feinheit der Sticktechnik. Eingewebte Vogelmotive finden sich auf japanischen Gürteln und auf Tempeldecken.
Aus China gelangten Beamtenabzeichen in die St. Galler Sammlung. Verschiedene gestickte, gewebte oder gewirkte Vögel kennzeichneten in jenem Land Rang und Stellung von Beamten. Deren Frauen, Mütter und Töchter trugen die nämlichen Abzeichen vorne und hinten auf jackenartigen Übergewändern.
  In China und Japan stellte man Vögel nicht in erster Linie um ihrer selbst willen dar, sondern sie sind mit bestimmten Bedeutungsinhalten verbunden. Diese Symbole sind schon sehr früh in der chinesischen Literatur anzutreffen, und Japan blieb vom Einfluß Chinas nicht unberührt. Dort finden sich vor allem im 19. Jh., in der letzten Phase der Ukiyo-Kunst, Blumen-, Tier-, Historien- und Landschaftsbilder, Ukiyo entfaltete sich vom 17.-20. Jh. und bedeutet „Bild der fließenden oder vorübergleitenden Welt", die buddhistische Philosophie meinte damit die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des irdischen Daseins.
Die Bedeutung der Bildsymbole ist oft mehrschichtig, und gesamthaft ergeben sich meist Wunschziele. So kann sich der Träger eines reich bestickten Gewandes langes Leben, Reichtum, männliche Nachkommenschaft usw. ersehnen.
Man pflegte auch Themen der Natur mit den Jahreszeiten in Verbindung zu bringen: Pfau und Kuckuck zusammen mit der Pfingstrose sind Bilder des Sommers, während der Fasan zusammen mit der Chrysantheme oder Purpurwinde den Herbst symbolisiert.
Sperling und Schwalbe, gemeinsam mit Bambus oder Kamelie, stehen für den Winter. Die Frühlingssymbole Pflaume, Kirschblüte und Schmetterling bedeuten auch den Wunsch nach langem Leben. Lotosblüte und Reiher stehen für Unbestechlichkeit und Tugend. Der Pfau ist ein Symbol für Schönheit und Würde. Der Hahn, ein Sonnenzeichen, kommt auch im chinesischen Tierkreis vor. Häufig dargestellt wird der chinesische Phoenix. Im Osten ist er Herrscher unter den Vögeln und wird abgebildet mit dem Kopf eines Hahnes, dem Rücken einer Schwalbe, seine Flügel sind der Wind, sein Schwanz stellt Bäume und Blumen dar, seine Füße symbolisieren die Erde.
Abschließend sei ein Wort angefügt zu einer weiteren Kunstgattung des Ostens, in welcher Vögel ein Rolle spielen, nämlich zur Haiku-Dichtung. Japanische Dichter verfaßten diese 5-zeiligen Verse zu 17 Silben. Wesentlich ist, daß diese Künstler in Bescheidenheit und Armut lebten und erfüllt waren von den Eindrücken und Schönheiten der Natur. Jedes Haiku gibt, einem japanischen Bild gleich, Andeutungen in kurzen Worten wieder und zeigt Empfindungen an.









Ich dacht', es wär' ein Streifen Schnee.
Da klang ein Schrei . . .
Es war ein Reiher ! (Sokan)
       

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