ANNE WANNER'S Textiles in History   /  publications

Maria, Königin von Schottland und ihre Stickereien
von Anne Wanner-JeanRichard
publiziert 1999 in: Offene Szene Literatur, Heft 2/1999


  Literaturhinweise:
- K. Epstein, British Embroidery. Williamsburg Virginia 1998
- S. M. Levey, An Elizabethan Inheritance. The Hardwick Hall Textiles, London 1998
- S. Levey, Embroidery and other Textiles, Renaissance to Rococo,
in: British Textile Design, Vol. I, Tokyo 1980, p. XIII
- M. Swain, Figures on Fabric, London 1980
- M. Swain, The Needlework of Mary Queen of Scots, London 1973
- M. Swain, Tapestries and Textiles, Palace of Holyroodhouse, Scotland, 1988
- Ph. Smith, Die Illustration der Lutherbibel, Basel, 1977
- J. Schneider, Schaffhauser Bildstickereien des 16. und 17. Jahrhunderts,
in: ZAK, Band 23, Heft 3, 1963/64, S. 167
- E.A. Standen, A Picture for every story, in: Bulletin Metropolitan Museum of Art, Vol. XV, 1957, p. 165
- N.G. Cabot, Pattern Sources of Scriptural Subjects in Tudor and Stuart Embroideries, in: Bulletin of Needle and Bobbin Club, vol. 30, 1946, Nr. 1/2, p. 3
- Stefan Zweig, Maria Stuart, 1. Auflage, Insel Verlag, Leipzig 1935


   
  Am 8. Februar 1587 wurde Maria Stuart, Königin von Schottland, hingerichtet. Nachdem der Henker ihren Kopf mit dem Beil gewaltsam vom Rumpfe getrennt hatte, rührte sich unter den Kleidern ein kleiner Hund.
Ihr Lieblingshund war der Königin nachgeschlichen und hatte sich an ihren Körper gedrückt. Er bellte, keifte, kläffte, liess sich nicht fassen, kämpfte leidenschaftlicher für seine Herrin als alle, die ihr Treue geschworen.

Seit ihren frühesten Kindertagen war Maria ein Spielball im Spiel der Mächte gewesen. Als drittes Kind von James V. und seiner zweiten Frau Marie de Guise wurde sie geboren. Ihre beiden Brüder lebten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, die kleine Tochter bedeutete wohl die letzte Enttäuschung des Vaters, er schloss seine Augen für immer als sie gerade eben sechs Tage zählte.

Mit neun Monaten krönte man sie zur Königin von Schottland. Gerne hätten die schottischen Adeligen sie mit dem sehr jungen Sohne des englischen Königs vermählt, dies vereitelten jedoch kriegerische Auseinandersetzungen.

 



Maria Stuart zur Zeit ihrer Heirat
mit Franz dem zweiten von Frankreich
Kupferstich von Pieter van der Heyden
(Scottish National Portrait Gallery, Edinburgh)

 
  Statt dessen fuhr die sechsjährige Maria nach Frankreich. Dort sollte der vierjährige Franz 2., Sohn von Henri 2. und Katharina von Medici, ihr Ehemann werden.

Zunächst verlebte Maria jedoch ihre Jugendzeit zusammen mit der grossen Kinderschar der französischen Königsfamilie in verschiedenen französischen Schlössern. Katharina führte sie ein in die Kunst des Stickens, eine Handarbeitstechnik, die in Italien zur Mädchenerziehung gehörte, und welche die aus Italien stammende Königin in einem florentinischen Kloster erlernt hatte.

Auf Katharina von Medici und ihren königlichen Gemahl geht das in Paris im Jahre 1551 gegründete "Atelier de la Trinité" zurück. Dies war eine Schule in welcher arme Kinder textile Arbeiten erlernten.
Katharina soll in Frankreich auch das Taschentuch eingeführt haben, damals handelte es sich um überreich verzierte Tücher, die man in der Hand hielt und die höchstens dazu dienen konnten, die Tränen abzuwischen.

Die Hochzeit fand am 24. April 1558 statt, damals war Maria sechzehn ihr Ehemann fünfzehn Jahre alt. Leider starb Franz 2. knapp zwei Jahre später, kurz vor seinem 17. Geburtstag, an einer Erkältung, und

  damit endete Marias Jugendzeit. Sie war nun Königin von Schottland, Königinwitwe von Frankreich und nächste in der Thronfolge für den englischen Thron nach Elisabeth I.

Am 19. August 1561 kehrte sie nach Schottland zurück, fand dort aber nur kalte, leere, vernachlässigte Schlösser.
Aus Frankreich brachte die Königin eine reiche Ausstattung nach Schottland. Ihr französischer Kammerherr Servais de Condé stellte sehr genaue Listen von ihren beweglichen Gütern zusammen, und deshalb ist bekannt, dass sie Innenausstattungen, also Behänge, Wandteppiche, Kissen, Bettdekorationen mitbrachte.

In ihrem Gepäck befanden sich ausserdem reich bestickte Gewänder, 39 an der Zahl sollen es gewesen sein, manche aus Gold- oder Silbergewebe, und vieles andere mehr. In den ersten Jahren in Schottland erweiterte sie ihre Garderobe, man weiss, dass Servais de Condé vom Dezember 1564 bis im März 1565 in Paris weilte, sehr wahrscheinlich um Einkäufe für die Königin zu tätigen. Maria war sehr jung, sie wollte das Leben geniessen, reisen, jagen, tanzen. Das Schicksal hatte aber anderes mit ihr vor, schon bald begannen sich die Ereignisse zu überstürzen:

 
  Zunächst wurde die junge Frau vom schottischen Adel immer stärker unter Druck gesetzt, wieder zu heiraten, denn man erwartete von ihr einen königlichen Thronfolger.
Sie verband sich also mit Lord Henry Darnley, 1566 kam ihr Sohn James zur Welt. Bei einen Unglück starb Darnley kurze Zeit später, und viel zu rasch vermählte sich die Königin daraufhin mit dem Earl of Bothwell.

Von diesem Punkte an nahm das Unheil seinen Lauf, denn viele waren überzeugt, Maria sei für Darnleys Tod verantwortlich und habe sich nun mit dem Hauptverdächtigen vermählt.
Bothwell flüchtete nach Dänemark, seine junge Ehefrau wurde in Lochleven gefangen gesetzt. In einem Schloss mitten auf einer Insel in dieser schottischen Bucht verbrachte sie zehneinhalb Monate in Begleitung von nur zwei Frauen. Das Kind, das sie von Bothwell erwartete, verlor sie.

Nach einer gewissen Zeit durfte Servais de Condé Kleider und Textilien in ihre Gefangenschaft senden, und im Juli und im Oktober erhielt sie einige Gewänder und feines Leinen, um daraus Unterwäsche zu nähen. Etwas Seife befand sich in der Sendung, sowie eine kleine Dose mit parfümiertem Puder.

Ein Stück Leinwand mit vorgezeichneten Blumen, zum Aussticken hatte sie ebenfalls gewünscht, und so stickte sie zu ihrem Zeitvertreib kleine seidene Blumen.
Daneben schrieb sie wütende Briefe um freizukommen. Gegen eine Scheidung setzte sie sich erfolgreich zur Wehr, aber als Königin musste sie zu Gunsten ihres Sohnes abdanken. James VI. wurde am 29. Juni 1567 zum König von Schottland gekrönt.

  Endlich gelang Maria die Flucht von der Insel. Zurückgelassene Kleider und Wäsche wurden eingepackt, in Edinburgh blieb die Bestätigung des Empfangs erhalten, es handelte sich um: 5 seidene und 2 andere Kleider, 3 Unterröcke, 2 oder 3 Paar Strümpfe, 1 Satinhaube, 2 Leintücher. Es ist nicht bekannt, was mit den kleinen seidenen Blumenstickereien geschah.

Maria floh nach England und erwartete Hilfe von Elisabeth. Die schottischen Lords sollten bestraft werden. Doch Elisabeth geruhte nicht einmal, sie zu empfangen, bedeutete ihr Maria doch nur Unannehmlichkeiten und Verlegenheit.

So nahm die 19-jährige Gefangenschaft in England ihren Anfang. Vorerst ging es wieder einmal darum, Garderobe und Geld zu erhalten.
ervais de Condé war noch fünf Jahre nach Marias Abreise von Schottland verantwortlich für ihre beweglichen Besitztümer. Gemäss seinen Aufzeichnungen sandte er ihr Kleider, Schmuck und auch Stickmaterialien nach England.

Man behandelte sie als Königin, erlaubte ihr Dienerschaft und Boten. Die Anzahl der Diener war allerdings beschränkt, sie selber wurde intensiv überwacht und ihre Korrespondenz zensuriert. Elisabeth ernannte zu ihrem Betreuer und Gefangenenwärter den Grafen George Talbot, Earl of Shrewsbury. Jener war damals erst seit kurzem mit Bess of Hardwick verheiratet. Sie kannten sich schon seit vielen Jahren, hatten mehrere Ehen hinter sich, und schlossen sich wegen ihren zahlreichen Kindern zum neuen Ehebunde zusammen.

 



 


 

zu den Abbildungen:
links: Details aus Oxford Hangings (Victoria and Albert Museum, Crown Copyright, on loan to Oxburgh Hall)
rechts: aus Conrad Gesner, Icones Animalium 1560

(the University of Edinburgh)






 
  In den ersten Jahren der Gefangenschaft in England kam Maria mit der 20 Jahre älteren Bess of Hardwick gut aus, ihr gemeinsames Interesse galt der Stickerei.

Diese einfache Landedelfrau liebte zwar schöne Stickereien, doch zu neuesten Moden und fremder Lebensart hatte sie keinen Zugang. Bess war damals dabei, ihr Schloss Chatsworth auszustatten und zu möblieren, und Maria half mit ihren Kenntnissen von französischem Stil, Eleganz, Luxus.

Die Königin besass zudem die neuesten Errungenschaften des Zeitalters, nämlich gedruckte und mit Illustrationen versehene Bücher. Die beiden Damen studierten diese genau und suchten hier nach Vorlagen für ihre Nadelarbeiten. Bess beschäftigte einen eigenen Entwerfer, auch unter Marias Dienerschaft befand sich ein solcher, es war vermutlich Pierre Oudry, später wird Charles Plouvart erwähnt.
Eine reiche Auswahl an Tierbildern gab es in den 1560 herausgekommenen, mit Holzschnitten und Kupferstichen illustrierten Werken des Zürcher Arztes und Gelehrten Conrad Gesner. Andere Motive lieferten die Bücher von Pierre Belon. Beim Ausführen der Zeichnungen hielten sich die Damen erstaunlich genau an die Vorlagen.

In manchen Abweichungen kommen persönliche Ideen zum Ausdruck: Maria stickte zum Beispiel eine Katze, die eine Maus beobachtet. Ohne Zweifel sollte die Katze Elisabeth I. wiedergeben, hat doch das Tierbild dieselben roten Haare wie die Königin. Damit stellte Maria ihre Situation als Abhängige von Elisabeth dar.

Sie bevorzugte kleine Arbeiten, die sie entweder auf einem Stickrahmen oder auf einem kleinen mit Pergament bedeckten Kissen ausführte. Ausser dem halben Kreuzstich oder Petit Point, kommen kaum andere Sticharten vor, für Maria war die Zeichnung wichtiger als die Technik.
Bis heute haben sich etwa 30 Stickereien mit dem Zeichen oder den Initialen der schottischen Königin erhalten. Vor allem die Tierbilder nach Gesners Holzschnitten sind signiert, vermutlich um sie von den Stickereien von Bess zu unterscheiden. Es ist sehr wohl möglich, dass auch unsignierte Arbeiten auf Maria zurückgehen.

  Nach der Hinrichtung fehlen Nachrichtungen über die Stickereien. Gute 200 Jahre später, 1761, erschienen drei Behänge in Oxburgh Hall. Von offensichtlich professioneller Hand waren Marias Stickereien und auch einige von Bess of Hardwick auf einen grünen Samtstoff aufgenäht worden.
Ein vierter Behang ist nicht mehr als ganzes Stück erhalten.
Heute befinden sich einige Teile im Victoria and Albert Museum in London, andere Teile im Palast von Holyroodhouse. Jeder dieser vier Wandbehänge zeigt im Zentrum ein rechteckiges Stickbild, das von vier achteckigen und weiteren kreuzförmigen Stickereien umgeben ist.

Maria, Königin von Schottland, war keine einfache Gefangene, die ihr Schicksal ergeben hinnahm. Immer wieder versuchte sie frei zu werden, verschiedentlich gelang es ihr auch, Verschwörungen anzuzetteln. Obwohl sie ihn vermutlich nie gesehen hatte, plante sie eine Heirat mit dem Duke of Norfolk. Es versammelte sich in diesem Zusammenhang eine südwärts marschierende rebellische Armee. Elisabeth zerschlug die Revolte, Norfolk wurde im Londoner Tower gefangen gesetzt und hingerichtet. Im Laufe der Zeit wurde Maria immer depressiver, es ging ihr schlechter. Der Sohn James liess ihre Briefe unbeantwortet, ein Kontakt mit seiner Mutter kam nie zustande.

Aus gesundheitlichen Gründen brachte man sie 1585 nach Chartley Hall, und hier wurde am 13. Juni 1586 ein Inventar ihrer Besitztümer erstellt. Es sind nun keine farbigen und reich bestickten Kleider mehr aufgeführt, bis auf zwei sind nur dunkle und schwarze verzeichnet. Auf der Liste ist eine beträchtliche Anzahl von kleinen Stickereien aufgezählt. Immer noch beschäftigte sich die gefangene Königin mit Stickereien, andere Vergnügungen waren ihr nicht erlaubt, und so wurden diese Arbeiten ihr Trost und Zeitvertreib.
1586 beschuldigte man Maria der Verschwörung gegen Elisabeth I. Sie wurde ins Staatsgefängnis Fotheringhay Castle überführt und am 8. Februar 1587 im Beisein der Grafen Shrewsbury und Kent, sowie etwa 200 englischen Edelleuten hingerichtet.
Vom 20-jährigen Sohn James kam kein Protest
       
   

content  Last revised 15 June, 2006