Annatextiles VOCABULAR - Embroideries


Index---alphabetical order---Embroideries
             

Weissstickerei


Whitework Embroidery

Broderie blanche


Ricamo bianco
   
  Kurzfassung des Aufsatzes von Claire Prévot: La Broderie blanche au XIXe siècle: du bonnet lorrain à la coiffe régionale française, p.397-407
in: Les costumes régionaux | Jean-Pierre Lethuillier, Rennes 2009
EAN: 9782753508293 - elektron.Version: 9782753566644

Bereits im 18. Jh verzierte man in der Lorraine Luxusobjekte mit Stickerei. Die Weissstickerei kam um die Wende vom 18. zum 19. Jh. auf.
Rosalie Mauzaize, Ehefrau des Fabrikanten François Chenut, aus Nancy, lernte in Paris eine neuartige Stickerei kennen, welche auf Mousseline aus Indien oder Sachsen ausgeführt war.
Diese Plumetis Technik eignete sie sich sogleich an, und wieder zurück in Nancy unterrrichtete sie andere Frauen.
Mme Chenut hatte gute Verbindungen zu Abnehmern, kannte sie sich doch im Pariser Luxusgewerbe aus.
In dem bekannten Badeort Pombières eröffnete sie 1803 ein Geschäft. Berühmtester Badegast war dort in jenen Jahren Joséphine de Boharnais.

Nach dem Sturz des Kaiserreiches eröffneten sich für die Stickerei von Nancy neue Märkte in England und Amerika. Ein reich gewordenes Bürgertum schätzte die Stickerei.
Seit 1807 bildete Mme Chenut 10 - 15jährige Mädchen in einer Stickereischule in Stickerei und Entwerfen aus. Die Mädchen zeichneten Entwürfe nicht selber, sie passten erworbene Vorlagen im Verhältnis 1:10 für die Weissstickerei an. Eine Reihe von Kunsthandwerkern wie Zeichner, Stecher, Drucker, Bleicher waren im Dienste der Stickerei beschäfigt.
In dieser Vorindustriellen Zeit sollen 150‘000 bis 20‘000 Stickerinnen beschäftigt gewesen sein.

Entwurf
: talentierte Zeichner schufen neue Modelle.
Zuerst zeichneten sie solche direkt auf das Gewebe, später druckten sie die Muster mit gravierten Metallplatten auf den Stoff, gegen 1823 erfand der Zeichner Barthélemy die Stüpfelmaschine, die eine Reproduktion feinster Details erlaubte.
Arbeitsvorgang: Solange ein Fabrikant nicht mehr als ca. 10 Stickerinnen beschäftigte, erteilte er die Aufträge selber. Arbeiteten jedoch für ihn mehrere Hundert Stickerinnen, so waren Zwischenhändler nötig, der Fabrikant hatte keine Verbindung mehr mit den Stickerinnen.
Die Zwischenhändler erhielten vom Fabrikanten die zu bestickenden Stoffe, später sammelten sie die fertigen Arbeiten ein und brachten sie dem Fabrikanten zurück. In der Summe, die der Zwischenhändler vom Fabrikantgen erhielt waren Lohn für die Stickerin und sein eigener Lohn von ca. 10 % enthalten.

Niedergang: Im 2. Drittel 19. Jh. änderte sich die Qualität der Arbeit:
Viele versuchten sich als Fabrikanten und Zwischenhändler. Vor allem die letzteren brauchten kaum Investitionen, da die Stickerinnen bei sich zu Hause arbeiteten und auch schriftliche Vereinbarungen fehlten.
Auf Ausbildung wurde nicht mehr Wert gelegt. Die Frauen stickten nicht mehr auf dem Rahmen, sondern von Hand, da dies schneller ging.
Die Qualität der Stickerei sank, zudem kamen schlechtere Zeiten. Mit dem amerikanischen Sezessionskrieg verknappten sich Grundmaterialien, die Baumwolle. Zwischen 1859 und 1862 stieg der Brotpreis um 50 %, der Lohn der Stickerinnen sank um 50 %.

 

  Dennoch überlebte ein Teil der Handstickerei:

Mme Chancerel, eine Pariserin eröffnete 1830/35 in den Vogesen, in der Gemeinde Vincey auf einem Bauernhof eine Stickschule für Landmädchen von 13 – 20 Jahren. 1841 erneuerte sie ihren Versuch auf einem Hof, den ihr Schwiegersohn Charles Bénier leitete. Die hier ausgebildeten Stickerinnen gaben ihr Wissen an andere Frauen weiter.

In der Lorraine entwickelte sich nur reine Handstickerei.
Neben einzelnen Teilen zur Bekleidung von Landbevölkerung verzierte man Hauben für Frauen und Kinder, daneben auch Taschentücher, Meterware (Bänder, Entre-Deux).
Die Kunden verteilten sich über ganz Frankreich, zudem exportierte man via Brodeaux, Le Havre, Marseille.
Bestickt wurden in der Lorraine nur Stoffteile. Am Bestimmungsort schnitt man sie aus und fügte sie der regionalen Mode gemäss zusammen. So finden sich auch in verschiedenen Regionen immer wieder ähnliche Motive auf den Hauben: vor allem im Zentrum eine Rose mit Knospen und Blümchen.

Die verwendeten Sticharten sind:
- Plumetis mit geradem und schrägem Stich, Knopflochstich für Stengel und Blattnerven, Festonstich für Zacken, Sandstich.
- Ajourstickerei für spitzenartige Effekte: ein tüllartiger Effekt ergab sich durch Zusammenziehen oder Ausziehen von Fäden des Stickgrundes. „Jours in der Art von Alençon“ entstanden durch Einfügen von Fäden und Spitzenstichen in die Oeffnungen, die sich durch das Ausziehen gebildet hatten.

In der Lorraine selber haben sich die bestickten Gewandteile nicht erhalten, man muss die Stickereien in anderen Museen suchen. Die verbreitetste Haube der Lorraine war die sog. „Hâlette“ (Leinenhaube mit breitem Rand), die vor Sonnenbestrahlung schützt.

Um 1880 belebte sich die Stickerei in der Lorraine nochmals bis gegen den 2. Weltkrieg. Doch mit dem Aufkommen von Kunstfaser, farbigen Geweben, der Waschmaschine und einer Mode, bei welcher sich unter engen Jeans keine bestickte Unterwäsche mehr tragen liess, wurde die Stickerei nicht mehr gefragt.
Einzig in der Luxusstickerei erhielt sich das Wissen der Stickerinnen weiterhin bis in die 1980/85er Jahre.
In diesem Falle arbeiteten perfekt ausgebildete Elitestickerinnen für die Haute Couture und für gekrönte Häupter der ganzen Welt. Mit ihnen bedienten professionelle Unternehmer eine Kundschaft, die hohe Qualität in Zeichnung und Stickerei wünschte.





Literatur:
-
Claire Prévot: La Broderie blanche au XIXe siècle: du bonnet lorrain à la coiffe régionale française, p.397-407
in: Les costumes régionaux | Jean-Pierre Lethuillier, Rennes 2009
       
 
          Die nachfolgenden Beispiele stammen aus der Sammlung des

Textilmuseums St.Gallen (Schweiz)
Details von Weissstickereien in Baumwolle und Leinen
  The following examples belong to the collection of the

Textilmuseum St.Gallen (Switzerland)
Details of whitework embroideries with embroidery in cotton and linen threads.


France, first half 19th c.,





back of a woman's cap, France 19th century


back of a woman's cap, France, 2nd half 19th cent. Inv.Nr. 22040


Detail of cap, France,
19th century, front side


Detail of cap, France, 19th century, reverse side

Photonachweis:
Textilmuseum St.Gallen (Schweiz)


   

Photonachweis:
Textilmuseum St.Gallen (Schweiz)


embroideries
names
index
Last revised February, 2020 For further information contact Anne Wanner wanner@datacomm.ch