ANNE WANNER'S Textiles in History   /  publications

St.Galler Stickereispitze um die Jahrhundertwende - der Entwerfer Ludwig Otto Werder, von Anne Wanner-JeanRichard, publiziert in: Spitze zwischen Tradition und Avantgarde, hgg. von Gisela Framke, Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, S 76 - 84, Edition Baus, 1995

Abschnitte 1 - 4: Einleitung, Europa
Abschnitte 5 - 9: Historismus, Jugendstil in St. Gallen
Abschnitte 10 - 13: Kunst und Industrie in St. Gallen
Literatur

       

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Kunst und Industrie in St.Gallen

In St.Gallen bedeutete die Maschinenstickerei und die damit verbundene Maschinenspitze eine völlig neue Technologie, die nicht direkt aus einem Handwerk hervorging. Diese Industrie breitete sich rasch aus und brachte weiten Bevölkerungsschichten Beschäftigung und bescheidenes Einkommen. Als Textilindustrie war die Maschinenstickerei in erster Linie mit der Mode verbunden, währenddem in England und Deutschland grösseres Gewicht auf Heimtextilien und auf dem Bereiche Wohnen lag. Dort gehörten neben den Stoffen auch Möbel, Keramik, Glas usw. zur Produktion, und manche Gesamtkunstwerke entstanden. Aehnlich wie in anderen Städten Englands oder Deutschlands fanden auch in St.Gallen intensive Diskussionen statt über den neuen Stil oder um die Frage, ob Kunst und Industrie vereinbar seien.

Zunächst sei Emil Hansen (Nolde) (1867-1956) aus Norddeutschland erwähnt (45). Seit Januar 1892 unterrichtete er in St.Gallen Flachornament-Zeichnen. In der Beschreibung dieses Faches heisst es (46): nach sauberer Konturzeichnung wird das Kolorieren eingeübt; die Auswahl des Stoffes erfolgt in dem Sinne, dass den Schülern die bemerkenswertesten Stilarten zur Anschauung und Uebung gelangen."
Im Kunstgewerbemuseum Berlin hatte Hansen eine Stellenausschreibung nach der Schweiz gesehen, und man wählte ihn auf Grund seiner Skizzenbücher mit historischen Ornamenten unter 34 Bewerbern aus. Bis 1895 konzentrierte er sich voll auf diese Lehraufgabe, dann lernte er in München Georg Hirth kennen, den Herausgeber der 1896 gegründeten Zeitung "die Jugend" (46), und zeichnete dafür von Anfang an Ornamente und Vignetten. In St.Gallen waren die Vorgesetzten wenig begeistert von seinem Stilwechsel, und es dauerte nicht lange bis das Anstellungsverhältnis ein Ende fand (48). 1897 liess Hansen Bergpostkarten in einer Auflage von 100'000 drucken und verkaufte diese innerhalb von 10 Tagen. Nun konnte er sich ohne finanzielle Sorgen seiner weiteren Ausbildung widmen, dem Direktor in St.Gallen teilte er mit, er werde auf den 1.1.98 nicht mehr an die Schule zurückkehren.

Interessant wäre es zu wissen, ob Hansen und Werder in St.Gallen miteinander über den neuen Stil diskutierten, und wieweit Werder dadurch Münchener Einflüsse aufnahm. Es gibt dafür keine Belege, aber die Möglichkeit besteht, waren die beiden doch fast gleichen Alters, und sie unterrichteten ein Jahr lang, von Herbst 1896 bis Herbst 1897 in demselben Hause.

1896 zeigten Ostschweizer Stickereifirmen an der Schweizer Landesausstellung in Genf Stickarbeiten mit überlieferten Mustern, und die Münchner Neuesten Nachrichten kritisierten diese Produktionen.
Dies bewog einen ungenannten St.Galler Autor am 18.12.1986 zu einigen Bemerkungen im Tagblatt seiner Stadt: die produzierenden Kräfte wären gut beraten, wenn sie den Gang der Dinge etwas verfolgten, und
  nicht gedankenlos im Althergebrachten weitermachen würden. Es wäre nötig, durch eine neue Auffassung im Ornament eine Neubelebung der Stickereiindustrie herbeizuführen, denn nur eine Industrie, die ihrer Zeit zu folgen vermöge, könne auf die Dauer lebensfähig sein. Vor allem diese letzte Bemerkung liess die Ostschweizer Unternehmer nicht gleichgültig, und das Kaufmännische Directorium erteilte dem angesehenen Industriellen und jahrelangen Mitglied der Museumskommission Otto Alder (1848-1933), den Auftrag, ein vertrauliches Gutachten über diese Frage anzufertigen (49).


Anmerkungen:

45 - Verwaltungsbericht KD 1890/1891,. St.Gallen  1892, S. 17; 9. Bericht Zeichnungsschule 1891/1892, St.Gallen 1893, S.3, sowie 15. Bericht IGM 1992, St.Gallen 1993, S.2:..."Herr Hansen hat sich als Zeichner für das Museum aufs Beste eingeführt, er hat schon eine Reihe geschmackvoller Entwürfe für das Kunstgewerbe geliefert".
46 - Bericht IGM 1. Mai 1896 - 30. April 1897, St.Gallen 1897, S. 14.
47 - vgl. Manfred Reuther, das Frühwerk Emil Noldes, Köln 1985, S. 147 ff
48 - Verwaltungsbericht KD 1896/1897, St.Gallen 1898, S. 22, 23: ..."Hrn. E. Hansen ist auf Ende des Schuljahres gekündet worden, weil es Hrn Hansen nicht gelungen ist, die gewerbliche Seite seiner Aufgabe, auf die von Anfang an das Schwergewicht gelegt wurde, in einer Weise auszubilden, wie man es erwartet hatte und verlangen musste, um das von Hrn. Hansen bezogene Honorar zu rechtfertigen. Das figürliche Zeichnen allein kann und darf an unserer Schule keine volle Stelle beanspruchen, so lange nicht neue Gebiete in den Kreis ihrer Tätigkeit gezogen werden". Bericht IGM 1.Mai 1897 - 30.April 1898, St.Gallen 1898, S.3:.... "eine weitere Änderung trat ein, indem das Anstellungsverhältnis des Herrn Hansen auf Mai 1898 gelöst und dann auf seinen speciellen Wunsch der Rücktritt schon auf Ende Dezember 1897 bewilligt wurde.
Emil Nolde, mein Leben, Berlin 1931, S.l56: ...schliesslich eines Tages erbat ich mir einen Extraurlaub, und bald danach erfolgte die Quittierung meiner fesselnden Pflichten, denen ich schon längst entwachsen war.
Nolde an seinen Freund Hans Fehr, 1. Nov. 1897 .."als Neuigkeit kann ich Dir mitteilen, dass schon zu Neujahr ich die Gallusstadt verlasse .....Viele schöne Tage waren es u. jetzt zähle ich die Stunden bis fröhlich ich davonfliege, nach der Isarstadt"..
Hans Fehr in einem Artikel zu Noldes 50. Geburtstag, St.Galler Tagblatt vom 8.8. 1917:...man war erstaunt, als Nolde sich "mit einem jähen Ruck" von der St.Galler Schule losriss.... Man war verblüfft, weil man Nolde als ruhiges Temperament, als beliebten und geachteten Lehrer schätzte, der, im Kreise einer kleinen Freundesschar, in St.Gallen ein behagliches und geordnetes Dasein führte.
49 - dieser Bericht, gedruckt im Juli 1897, war zunächst vertraulich und mit der Bemerkung "convidentiell" versehen. Im Jahre 1903 erschien er als Beilage zum Bericht IGM 1. Mai 1902 - 30.April 1903


       

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Als Geschäftsmann kannte Alder die Verhältnisse im Ausland, vor allem Paris war seit Generationen ein wichtiger Absatzort von St.Galler Stickereien. Die Diskussionen in Paris waren ihm sicher zu Ohren gekommen, er selber gehörte eher zu den Gegnern des neuen Ornaments. In seinem Bericht ereiferte er sich am Anfang über Arbeiten in der Art von Eugène Grasset und fand, man solle die Zeit der Schüler nicht für "fessellose und regellose Phantasiegebilde" verwenden. Zudem bemängelte er beim neuen Stil die "indiskutable Inkorrektheit der Zeichnung". Mit den englischen Gegebenheiten war Alder ebenfalls vertraut, dem "arts and crafts movement" sowie Walter Crane stand er mit Interesse gegenüber, doch fand er, diese Entwürfe eigneten sich vor allem für Tapeten, Möbelstoffe, Wanddekorationen. Für die St.Galler Entwerfer wäre ein solcher Stil "eine ganz falsche Fährte", denn in der Stickerei sollte die Eleganz regieren, und das Ornament müsse mithelfen diejenigen Variationen von Mustern herauszubringen, welche der Markt von Saison zu Saison erheische.

Neben der Frage, ob sich der Jugendstil für die Mode eigne, ging es aber in Alders recht weitschweifigem Bericht erstmals und hauptsächlich darum, ob Kunst in der Industrie möglich sei. Ausgangspunkt bildete die Auseinandersetzung mit Johannes Stauffacher, der sich über das Kunstverständnis der Industriellen sehr freimütig zu äussern pflegte. Eine Kritik an ihm gestaltete sich schwierig, weil Stauffacher in St.Gallen als Blumenmaler hohes Ansehen genoss, und man ihm in fachlicher Hinsicht keine Vorwürfe machen konnte.
Alder bemängelte, dass er Stilisierung und Ornament nicht mehr genügend pflege, ja seine Schüler zu Spezialisten im Blumenzeichnen ausbilde. Des weiteren kritisierte Alder, dass Stauffacher die Industriellen mit Geringschätzung betrachte, die von Kunst und Zeichnen nichts verstünden, und auf diese Weise die Schüler geradezu fernhalte von ihrem zukünftigen Berufe. Er wünschte nun dringend, dass Stauffacher wie schon längst besprochen, sich nun eingehend mit dem Studium des Ornaments befasse, und dadurch die Schüler dem Berufe des Stickereizeichners wieder zuführe.
  Einig waren sich die beiden darin, dass elegante Roben mit traditionelle Blumenmuster geschmückt sein sollten. Dabei vertrat Stauffacher eine naturalistisch-ornamentale Richtung, den neuen Stil lehnte er ab, ja bezeichnete diesen als "Nudelmeierei".

Otto Alder setzte sich auch mit L.O.Werder auseinander, und äusserte sich in 2 Zeitungskritiken zu dessen Vorlagewerken (50). Einleitend stellt er nochmals fest, dass ihn der neue Stil nicht begeistere, weil er sich noch im Werden befinde, und Vieles abgestreift werden müsse, weder in der Schweiz noch in Paris verwende man diese Formen häufig, denn es fehlten ihnen eben Duft und Eleganz.
Dem Werk Werders stand Alder jedoch wohlwollend gegenüber und fand darin manch glückliche Lösung. Als Warnung fügte er diesem Lob aber sofort bei, Werder dürfe sich als Lehrer von diesen Bestrebungen nicht allzusehr gefangennehmen lassen und diese an der Schule selber nur bescheiden anwenden. Im Grossen Ganzen freute er sich aber darüber, dass Werder hauptsächlich für die mechanische Stickerei und Spitze arbeite, und sich besonders einsetze für einfachere Weissstickereien, die ja für viele Betriebe das tägliche Brot bedeuteten. Werder hatte sich schon seit Jahren für diese schmalen, einfachen "Bandes" eingesetzt, z.B. in einer Ausstellungsbesprechung von 1891, wo er fand, man habe sie dort stiefmütterlich behandelt, zu Unrecht, denn gerade hier liessen sich die Schüler am leichtesten in die praktische Dessin-Zeichnerei einführen (51).


Anmerkungen:

50 - Otto Alder, der neue Stil in der Stickereiindustrie, in: Tagblatt der Stadt St.Gallen vom 15.4.1898; sowie:Otto Alder, der neue Stil in der Stickereiindustrie, in: Tagblatt der Stadt St.Gallen vom 22.11.1901
51 - Bericht über Weberei, Hand- und Maschinenstickerei, St.Gallen, 25. Juni 1891, aufbewahrt bei den chronologisch geordneten Dokumenten des Zeichnervereins, Textilmuseum St.Gallen



     
 



   

 

   

 


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In der Kritik zu Werders 2. Vorlagemappe meinte Alder, er müsse zugeben, dass der moderne Stil nun seine Rüpeljahre hinter sich habe. Für die Stickerei sei er allerdings noch immer wenig brauchbar, denn die mechanische Stickerei müsse in erster Linie, die weibliche Toilette verzieren, diese verlange Grazie, und Grazie könne man bisher wenig finden. Doch lobt er die sorgfältige und wohlstudierte Zeichnung und meint, eine Anwendung in der Stickerei wäre sogar denkbar.
Somit war es Werder gelungen, die Bedeutung des modernen Stils für die Maschinenstickerei aufzuzeigen.

Johannes Stauffacher allerdings liess sich nicht vom Jugendstil überzeugen. Die Spannungen zwischen ihm und Werder nahmen derart zu, dass Werder einige seiner Schüler bat, das Kaufmännnische Directorium in verschlossenen Briefen (52) über den Unterricht bei ihm und bei Stauffacher zu informieren.
Als Kernpunkt stellt sich in diesen Briefen wiederum die Frage nach Kunst in der Industrie. Die Schüler teilten dem Directorium mit, dass sich Stauffacher in seinen Schulstunden abschätzig äussere über alle Zeichner von St.Gallen und Umgebung, die mit seinen Ansichten nicht übereinstimmten. Er verheimliche seine Abneigung gegen den Lehrer des Faches Maschinenstickerei nicht, und versichere mit schwungvoller Rede, dass der moderne Stil "für die Katz" sei .
Zwar genoss Stauffacher in St.Gallen als Blumenmaler hohe Achtung, doch sein Kunstverständnis war vom 19. Jh. geprägt, und neue Tendenzen lehnte er ab. Als Künstler und Individualist anerkannte er weder Maschinenarbeit noch Massenproduktion. In der Schule interessierte er sich vor allem für die Talente seiner Schüler und legte auf deren zukünftige Tätigkeit wenig Gewicht.

Ueber die Ausbildung von Musterentwerfern hatte er eigene Ansichten, die er nun in einer Schrift publizierte. Dies bewog die Schulleitung zur Anfrage, ob er sich dem Lehrplan weiterhin unterstellen wolle.
  Als Stauffacher darauf keine Antwort gab, kündigten ihm seine Vorgesetzten auf den 30. Juni 1904 (53). Stauffacher gründete nun in St.Gallen seine eigene Schule, und in später veröffentlichten Jahres- und Schülerberichten (54) stellte er sich weiterhin selber dar und rechtfertigte seine Methoden.

In der Ostschweiz spielte der Kaufmann seit dem Mittelalter eine bedeutsame Rolle. Um die Jahrhundertwende sahen weite Kreise immer deutlicher, dass die Industrien ihre Wege durch den Kaufmann und nicht durch den Künstler zugewiesen erhielten. Andererseits bedeutete die Mitarbeit des Künstlers sehr viel, denn jener sollte Anregungen geben, Wegrichtungen zeigen um zu neuen Formen zu gelangen. Wie in anderen Zentren, so reifte auch in St.Gallen die Einsicht, dass Kunst und Industrie miteinander und nicht gegeneinander arbeiten sollten.



Anmerkungen:

52 - 4 Briefe von Schülern an das Kaufmännische Directorium, Privatbesitz
53 - Bericht IGM, 1. Mai 1902 - 30. April 1903, St.Gallen 1903, S. 14 - 17; sowie: Verwaltungsbericht KD 1902/1902, St. Gallen 1904, S. 17:...."Ende Juni ist es zu einer Kündigung der Lehrstelle des Herrn J. Stauffacher auf 30. Juni 1904 gekommen, weil Herr Stauffacher sich immer nicht dazu verstehen konnte, den Lehrplan der Schule auch für ihn massgebend anzuerkennen und sich loyal an denselben zu halten; vielmehr bei jeder Gelegenheit in Buch-, Brochüren- und Briefform jedem, der es hören wollte, verkündete, dass der   Studiengang, wie er aus den Beratungen der Museumscommission und des Directoriums hervorging, gründlich verkehrt sei und durch einen von ihm selbst aufgestellten "richtigen Unterrichtsgang" ersetzt werden sollte"....; sowie: Bericht IGM, 1. Mai 1903 - 30. April 1904, St.Gallen 1904, S. 12
54 - Stauffacher-Schule St.Gallen nach 5 Jahren, St.Gallen 1909


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Schlusswort

Währenddem für Stauffacher also das Künstlertum höchstes Ziel bedeutete, strebte L.O. Werder bereits Jahre vor der Gründung des Werkbundes nach Kunst in der Industrie.
Diese Ansicht hatte er durch Auseinandersetzung mit Theorien seiner Zeit erworben. Wahrscheinlich kannte er eine Schrift von Walter Crane, dem Begründer der "Arts and Crafts Exhibition Society", denn dieses 1896 herausgegebene Buch (55) befindet sich noch heute in der St.Galler Textilbibliothek. Crane weist darin auf den Unterschied von Nachahmung und eigener Schöpfung: um nachzuahmen brauche man nur Fleiss, zu einem künstlerisch gediegenen Entwurf gehöre aber vor allem ein kunstverständiger erfinderischer Geist.
Weiter führt Crane aus, dass man den rein zeichnerischen Fähigkeiten der Kunststudierenden zuviel Bedeutung beimesse und darüber das selbständige Entwerfen vergesse. Er hoffe auf einen neuen Hauch im Kunsthandwerk, denn gerade dieses habe auf das Schönheitsgefühl der Allgemeinheit einen grossen Einfluss, und sei deshalb für ein Zeitalter der Industrie von grosser Bedeutung.
Werder legte in seinem Unterricht grosses Gewicht auf die Anschauung (56). Zunächst brachte er dem Anfänger das historische Textilornament näher, denn er meinte, der noch nicht selbständige Schüler schreite sicherer, wenn er sich vorerst am Gegebenen halten und kräftigen könne. Daneben sollte aber die Möglichkeit bestehen, die eigensten Gedanken in freien Kompositionen übersprudeln zu lassen.

Ebenfalls zur Anschauung gehörten in seinen Augen das Besprechen von Arbeiten der eigenen Stadt, wie der Produktion anderer Länder und nicht zuletzt auch die gedruckten Mustervorlagen mit neue Stilrichtungen. In der Einleitung zu Werders 1. Vorlagemappe steht: "Wenn aber diese Compositionen Fachleute dazu anregen sollten, sie in ihrem Werdeprozess zu studieren, zu begreifen und den Schlüssel zum Ausgangspunkt selbständigen Denkens und Schaffens zu sehen, so ist der Zweck meiner Arbeit erreicht; dann hoffe ich, ein Weniges beigesteuert zu haben zur hohen Sache des Fortschritts, zum Drang nach

  Selbständigkeit der Kunst unserer Zeit auch auf diesem Gebiete".
Werder betonte, dass man bei der Herstellung eines Entwurfes nichts dem Zufall überlassen dürfe. Auf der Grundlage von Naturstudien und künstlerischem Fühlen sollten technische Ausführbarkeit, wie Erfordernisse des Marktes berücksichtigt werden. In diesem "bewussten Componieren" sah er den eigentlichen Zweck des Schulbetriebes. Mit der Bedeutung, die Werder den technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zumass, ging er über die Ziele der "Arts and Crafts" Bewegung hinaus, und nahm Ideen des Werkbundes voraus.

Für die Zukunft hatte Werder im Sinn, die Textilsammlung des kunstverständigen Industriellen, Leopold Iklé zu bearbeiten und in seine Lehre miteinzubeziehen. Iklé hatte diese Sammlung um 1900 dem damaligen Industrie- und Gewerbemuseum geschenkt, und sie wurde eine der wichtigen Grundlagen für dieses Institut. Leider konnte Werder jedoch den Erfolg seines Unterrichts und seiner Bemühungen und Ideen nicht mehr erleben, denn im Herbst 1901 stellte sich ein Nierenleiden ein, dem er ein Jahr später, am 27. November 1902 erlag (57).



Anmerkungen:

55- Crane, Walter, Forderungen der dekorativen Kunst, Berlin 1896
56 - der Nachruf im Tagblatt der Stadt St.Gallen, Nr. 2, 3. Jan. 1903, 3. Blatt, befasst sich eingehend mit Werders Unterrichtszielen
57 - Verwaltungsbericht KD 1901/1902, St.Gallen 1903, S. 16; Bericht IGM, 1. Mai l901 - 30. April 1902, St.Gallen 1902, S. 12,15, und Bericht IGM, 1. Mai 1902 - 30. April 1903, St.Gallen 1903, S. 13; vgl. auch Nachrufe in Tageszeitungen: Ostschweiz Nr. 276 vom 29. Nov. 1902; NZZ, 1. Dez. 1902; Tagblatt der Stadt St.Gallen 3. Jan. 1903
     
     

  Einleitung, Europa
(1-4)
Historismus, Jugendstil
in St.Gallen (5-9)
Kunst und Industrie
in St.Gallen (10-13)
Literature  

content  Last revised 26 July, 2006